Die Arbeitsgemeinschaft für die Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen entstand am Krankenhaus Tiefenbrunn bei Göttingen aus der Erfahrung, für unterschiedliche Gruppen von Patienten auch unterschiedliche Formen des therapeutischen Arbeitens in Gruppen anbieten zu müssen. 

Anfänge

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In den 50iger und 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts erprobte Annelise Heigl-Evers gemeinsam mit Kolleg:innen Gruppenpsychotherapie in der Klinik Tiefenbrunn. Sie setzten sich mit bestehenden Gruppenpsychotherapiekonzepten (Foulkes, Bion) kritisch auseinander, ließen sich von den Gedanken der Philosophin und Soziologin Hannah Arendt anregen und luden bekannte Gruppenpsychotherapeuten wie Walter Schindler (London) und Raoul Schindler (Wien) sowie Ruth Cohn (Themenzentrierte Interaktion) ein, um von ihnen zu lernen und deren Konzepte kritisch zu diskutieren. Annelise Heigl-Evers und Franz Heigl verbanden analytische Vorstellungen mit sozialpsychologischen und gruppendynamischen Konzepten. Sie gründeten gemeinsam mit anderen 1967 den Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAGG – Nachfolgeorganisation ist heute die Deutsche Gesellschaft für Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse D3G). Beide legten die Grundlagen für das Göttinger Modell der Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen und boten eine Ausbildung in der Leitung von Gruppen mit Selbsterfahrung, der Beobachtung von Patientengruppen und Theorieseminaren an. Ende der 60er Jahre fanden die in Tiefenbrunn entwickelten Konzepte Eingang in die psychoanalytische Ausbildung am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie in Göttingen und bald danach in die überregionale Fortbildung von Kolleginnen und Kollegen aus klinischen Institutionen und unterschiedlichen ambulanten Praxisfeldern. Weiterentwicklungen psychoanalytischer Modelle (Ich-Psychologie und Objektbeziehungstheorien) wurden von Franz Heigl und anderen in das Göttinger Modell eingebracht. Im Juli 1972 wurde das erste Fortbildungsseminar im Krankenhaus Tiefenbrunn durchgeführt. Die Fortbildungen differenzierten sich. Seminare fanden statt zum therapeutischen Arbeiten mit psychoanalytischer Gruppenpsychotherapie, psychoanalytisch orientierter (tiefenpsychologisch fundierter) Gruppenpsychotherapie und psychoanalytisch-interaktioneller Gruppentherapie.


Wachstum und weitere Verbreitung

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Anfang der 70er Jahre verließen die Gründer der Göttinger Seminare in Gruppenpsychotherapie fast alle ihre bisherigen Tätigkeitsfelder und übernahmen neue Positionen in Göttingen, Düsseldorf und Hamburg. So wurden die Ideen des Göttinger Modells weitergetragen und in unterschiedlicher Form weiterentwickelt. Störungsspezifische Anwendungen entstanden für Somatoforme Störungen und Schmerz, Suchterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen und verschieden Formen struktureller Störungen.

 
 Die Fortbildung in den psychotherapeutischen Methoden des Göttinger Modells wurde in der Klinik Tiefenbrunn zunächst als einwöchige Seminarveranstaltung angeboten. Dreijährige Weiterbildungen begannen 1980. Die einwöchigen Fortbildungsseminare wurden von da an in die Weiterbildung integriert, werden aber auch als Fortbildung für Kolleginnen und Kollegen angeboten, die bereits mit Gruppen arbeiten oder das Göttinger Modell vor dem Beginn einer Weiterbildung kennen lernen möchten.
  
 Die zunächst lockere Organisationsform der Göttinger Gruppe wurde 1985 in den Verein "Arbeitsgemeinschaft für die Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen e.V.” überführt.

Neuere Entwicklungen

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Das „Göttinger Modell“ der Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie wird mit neuen Entwicklungen in der Psychotherapieforschung und in den Bezugswissenschaften kontinuierlich weiterentwickelt und für spezifische Settings und Arbeitsbedingungen angepasst. Das Göttinger Modell erweist sich immer wieder als flexibel und anpassungsfähig für unterschiedliche Anwendungsfelder, weil es in seinen drei Anwendungsformen zwar didaktisch explizit unterteilt wird, in der Praxis hingegen fließende Übergänge ermöglicht, wenn sich beispielsweise im Verlauf von Gruppentherapien andere Möglichkeiten der psychotherapeutischen Arbeit oder aber durch Wechsel von Teilnehmer:Innen in einer laufenden Gruppe auch andere Einschränkungen ergeben. Diese Flexibilität ist daher ganz spezifisch gewünscht. 

Die Vertreter:innen des Göttinger Modells wirkten an unterschiedlichen Stellen im universitären Bereich: im Aufbau einer psychosomatischen Klinik und Tagesklinik an der Universität Düsseldorf (Heigl-Evers), in der Erforschung von Gruppenprozessen in der Abteilung für klinische Gruppenpsychotherapie an der Universität Göttingen (König), in der Anwendung in der Pastoralpsychologie und Seelsorge an der Universität Hamburg (Lindner) sowie in der Umsetzung in der psychiatrischen Universitätsklinik Greifswald – Stralsund (Freyberger). Insbesondere die Anwendung der psychoanalytisch-interaktionellen Gruppenpsychotherapie im stationären Bereich erfolgt seit vielen Jahren in der Klinik Tiefenbrunn (Heigl, Streeck). Das „Göttinger Modell“ wurde und wird in vielen Reha-Kliniken eingesetzt, sowohl in der Behandlung von Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen als auch mit Abhängigkeitserkrankungen. Als ein entwicklungsförderndes Vorgehen haben sich psychoanalytisch-interaktionelle Gruppen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bewährt. Verbindungen zur Gruppenanalyse nach Foulkes (insbesondere mit der „tiefenpsychologisch fundierten“ Arbeitsweise im Göttinger Modell) und zur Mentalisierungsbasierten Therapie MBT (vor allem in der psychoanalytisch-interaktionellen Methode PIM) sind deutlich. Seit langem besteht eine enge Kooperation mit der „Deutschen Gesellschaft für Weiterbildung in der Suchttherapie (DGWS)“ Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft arbeiten in ihren Praxen nach dem „Göttinger Modell“. Seit etlichen Jahren werden die Erfahrungen des „Göttinger Modells“ auch im sozialen Feld, in der Sozialarbeit, in der Beratung und in der Supervision angewendet. Ein Schwerpunkt dieser Entwicklung ist die Fachhochschule Potsdam (Staats).


 Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft beteiligen sich in den Fachgesellschaften (DAGG, D3G) an den Diskussionen über die Erforschung, Anwendung und Weiterentwicklung der Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie und verstehen das „Göttinger Modell“ als offen für Anregungen durch andere Modelle und als integrativ. In den letzten Jahren sind insbesondere Erkenntnisse und Erfahrungen aus der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie (z. B. D. Stern und die Erfahrungen der Boston Change Process Study Group), der Beschäftigung mit dem symbolischen Interaktionismus und der damit verbundenen qualitativen Forschung aufgegriffen worden. 


In den über 50 Jahren seit Beginn der Tiefenbrunner Fort- und Weiterbildungsseminare sind Generationen von Gruppenpsychotherapeut:innen aus dem deutschsprachigen Raum in den Anwendungsformen des Göttinger Modells der Gruppentherapie ausgebildet worden, die ihrerseits jüngere Kolleg:innen „zu den Göttingern“ empfehlen. Auch haben Generationswechsel bei den Dozentinnen und Dozenten in der AGG stattgefunden. Angesichts einer traditionellen Diskussionskultur in der Arbeitsgemeinschaft, in der konzeptuelle Entwicklungen immer auch von den intensiven Erörterungen zwischen den vielen Teilnehmer:innen und den Dozent:innen beeinflusst wurden, auch und besonders angeregt durch die gemeinsam beobachteten Demonstrationsgruppensitzungen stationärer Gruppentherapien in der Klinik Tiefenbrunn in den Fortbildungswochen, entstand vor einigen Jahren die Vorstellung eine Veränderung der Vereinsstruktur anzustreben: die AGG steht seither neuen Mitgliedern offen, die sich mit dem Göttinger Modell und seinen Anwendungsformen und damit dem Vereinszweck verbunden fühlen. Absolventen unserer Weiterbildungen sind herzlich willkommen, sich um Mitgliedschaft zu bewerben und fortan die Vereinskultur mitzugestalten. Neben den Weiterbildungsaktivitäten und einer wissenschaftlich-akademischen Ausrichtung soll in der AGG neuer Raum für Austausch, Vernetzung und wechselseitige Anregung angesichts unserer gemeinsamen Faszination und Begeisterung für gruppale Verhältnisse und deren förderliches Potential entstehen.


Aktueller Stand

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Den aktuellen Stand zum „Göttinger Modell“ geben das Lehr- und Lernbuch „Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie“ (Staats, Bolm, Dally 2014) und das „Handbuch psychoanalytisch-interaktionelle Therapie“ (Streeck, Leichsenring 2015) wieder. 

Die Arbeitsgemeinschaft beschloss 2016, sich in „Arbeitsgemeinschaft Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie“ (AGG) umzubenennen. Bewerbungen um Mitgliedschaft, z. B. früherer oder aktueller Absolventen unserer Weiterbildungen, sind willkommen und an den Vorstand zu richten. 

Mitgliederverein

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Seit der Veränderung unserer Vereinsstruktur wächst die AGG stetig. Zwar sind die Geschichte und Tradition der Arbeitsgemeinschaft eng mit Göttingen verbunden und leben eine Vielzahl unserer Mitglieder in dieser Region, darüber hinaus gab es aber schon frühzeitig Bezüge in andere Regionen - beispielsweise nach Düsseldorf, nach Hamburg und nach Berlin. Mittlerweile sind unsere Mitglieder über ganz Deutschland verteilt und wir freuen uns über diese Vielseitigkeit.

Unsere Gruppen in der AGG

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Bei unserem Arbeitstreffen der AGG im Juli 2023 konnten nicht alle Mitglieder anwesend sein. Unsere AGG-Gruppen 

der Hochschullehrer:innen, unsere "Großgruppe" der Mitglieder, die Gruppe der Gruppenlehrtherapeut:innen und die der KJP-ler:innen sind ausgewählte Untergruppen unserer Arbeitsgemeinschaft Gruppenpsychotherapie und Gruppenanalyse. 

Dozent:innenessen in der Fortbildungswoche November 2023

Arbeitstreffen Juni 2023

Ulrich Streeck kündigt in der Fortbildungswoche 2022 sein Buch an

einige Dozent:innen nach der Abschlußveranstaltung November 2021

2019 Novemberseminar